Blutzucker-Tracking- ein neuer Hype oder sinnvolle Messung?

Ein persönlicher Erfahrungsbericht

Bio-Hacking, also die Messung von Körperwerten, erlebt gerade einen nie dagewesenen Hype. Sogenannte „Weareables“ wie z.B. eine Smart-Watch oder ein Oura-Ring messen und überwachen rund um die Uhr Schlaf- und andere Daten. Kein Wunder, dass auch ich in erster Linie aus beruflicher Neugierde vor kurzem selbst damit angefangen habe, so ein Gadget zu tragen. Manchmal kommt mir diese technische Spielerei immer noch in der Diskussion mit sehr technik-affinen Menschen wie der heilige Gral vor, wenn ich mit Ihnen über deren sinnvolle Nutzung diskutiere. Dennoch wollte ich für mich testen, ob ich aufgrund meiner Ernährung meinen Blutzucker gut im Griff habe. Und als kleiner Spoiler vorab: Ich habe tatsächlich neue Erkenntnisse gewonnen, die ich so nicht erwartet hätte.

Was in den letzten Monaten sehr populär geworden ist, ist die Messung des Blutzuckers über einen Sensor am Oberarm. Die Blutzuckermessung wird normalerweise bei Menschen mit Diabetes vorgenommen, aber immer mehr vordergründig gesunde Menschen nutzen diese Sensoren ebenfalls, um etwas über den Anstieg ihres Blutzuckers (Glukose) nach dem Genuss bestimmter Lebensmittel zu erfahren. Interessanterweise steigt dieser nämlich bei verschiedenen Menschen in vergleichbaren Situationen unterschiedlich stark an. Selbst die gleichen Lebensmittel können bei einem Menschen unterschiedliche Werte auslösen, wenn sie zu anderen Uhrzeiten zu sich genommen werden.

Glukose im Blut ist unser wichtigster Energieversorger im Körper, besonders für die Funktion unseres Gehirns, und verfügt über ein sehr ausgefeiltes System der Regulierung. Normalerweise führen wir dem Körper Glukose über die Nahrungsaufnahme zu. Sobald die Nahrung aufgespalten wurde und Glukose im Blut vorhanden ist, sendet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus, ein lebenswichtiger Botenstoff, ohne den wir Menschen nicht überleben könnten. Der Gegenspieler des Insulins ist das Hormon Glukagon, das ebenfalls in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Der Blutzuckerspiegel wird durch Insulin reduziert und durch Glukagon erhöht. Ein gut regulierter Blutzucker ist wichtig, um einen schnellen Anstieg von Glukosespitzen und dem darauffolgenden Abfall zu vermeiden, da dies negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Im Alltag hilft ein optimaler Blutzuckerspiegel (Tagesdurchschnitt von ca. 100 -110 mg/dl), das Energielevel hoch zu halten und Leistungstiefs wie z.B. das berühmte Mittagskoma zu vermeiden.

Meiner Einschätzung nach kann es auch für Menschen ohne Diabetes interessant und hilfreich für ihre Gesundheit sein, den Blutzucker einmal für einen Zeitraum von 14 Tagen zu überprüfen. Dieses Tracking kann Hinweise darauf geben, ob vielleicht ein Anzeichen einer Insulinresistenz vorliegt. Diese kann bei manchen Menschen aufgrund ihres Lebensstils vorliegen, ohne dass sie es wissen oder bemerken. Erst langsam stellen sich gesundheitliche Probleme ein wie z.B. Schwierigkeiten beim Abnehmen bei starkem Übergewicht. Auch ein unerfüllter Kinderwunsch kann unter Umständen auf eine Insulinresistenz zurückgeführt werden. Eine Insulinresistenz kann entstehen, wenn wir häufig schnell verfügbare und hochkalorische Kohlenhydrate zu uns nehmen und dabei recht inaktiv sind. Dies lässt den Blutzucker schnell ansteigen, und der Körper muss mehr Insulin produzieren. Wenn wir dann noch weiter snacken und keine Pausen zwischen den Mahlzeiten einhalten, verliert der Körper im Laufe der Zeit die Möglichkeit, optimal zu regulieren. Dies kann auf Dauer zur besagten Insulinresistenz oder anderen Stoffwechselerkrankungen führen. Blutzuckerspitzen können aber auch bei gesunden Menschen zu Heißhungerattacken, Müdigkeit und zu Hormonschwankungen führen.

Sinnvollerweise sollte bei Stoffwechselproblemen eine ärztliche Blutuntersuchung erfolgen. In diesem Kontext kann die Bestimmung des HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment) ebenfalls sinnvoll und notwendig, um Folgeerkrankungen zu vermeiden Sie ist eine einfache Bestimmung bei der Blutuntersuchung, welche aber nicht standardmäßig durchgeführt wird, sondern extra vom Arzt beim Labor mit in Auftrag gegeben werden muss. Der Wert sollte maximal bei 2 liegen, ansonsten erhärtet sich der Verdacht auf eine mögliche Insulinresistenz und damit eventuell auf eine Vorstufe der Diabetes, die sogenannte Prä-Diabetes. Liegt er über 2,5, ist eine Insulinresistenz wahrscheinlich und es sollte aktiv dagegen gesteuert werden. Wenn Sie Schwierigkeiten beim Abnehmen haben, könnte dies ein Anzeichen eines erhöhten HOMA-Index und ein ausschlaggebender Faktor für ein erfolgreiches Abnehmen sein.

Um ein Gefühl für die Blutzuckerkurven im Tagesverlauf zu erhalten und zu sehen, wie der Körper zu welcher Tageszeit bei welchen Lebensmitteln, Situationen oder Aktivitäten reagiert, kann es spannend und erkenntnisreich sein, einen Versuch vorzunehmen. Meine Erfahrungen: Ich bin ein großer Fan des Frühsports und bin viele Jahre morgens direkt nach dem Aufstehen laufen gegangen. Dies ganz bewusst ohne Frühstück, da ich meinen Fettstoffwechsel anregen wollte. Mir ging es in diesen Einheiten immer gut, und ich habe mich sehr wohlgefühlt, also gedacht, alles ist gut. Auch nach dem Training habe ich bis zu zwei Stunden danach nichts zu mir genommen. Ich hatte kein Hungergefühl und wollte die Aktivität des Fettstoffwechsels weiter hochhalten. Im letzten Sommer habe ich das Laufen aus Verletzungsgründen einstellen müssen und bin zur Freischwimmerin in einem See geworden. Ich liebe es, morgens in den See in der freien Natur einzutauchen und merke, dass mir dieser Sport aufgrund meines ayurvedischen Dosha-Typs viel mehr entgegenkommt, als das Laufen. Auch hierbei habe ich bisher nicht gefrühstückt und fühlte mich wohl. Durch das Blutzucker-Tracking konnte ich aber feststellen, dass ich beim Schwimmen sehr schnell in die Unterzuckerung gekommen bin, und dies in einem See, der 9 Meter tief ist. Keine so gute Idee! So habe ich jetzt angefangen, vor dem Training eine halbe Banane mit ein paar Mandeln zu essen mit dem Ergebnis, dass der Blutzucker stabil bleibt. Interessant dabei ist: Wenn ich eine ganze Banane esse, löst dies sofort einen steilen Anstieg aus, der bei Aktivität genauso schnell wieder sinkt, was – wie oben beschrieben – eher vermieden werden sollte. Bei der halben Banane in Kombination mit ein paar Mandeln ist sowohl der Anstieg als auch der Abfall moderat. Dies hätte ich ohne das Blutzuckertracking niemals herausgefunden.

Eine weitere gewonnene Erkenntnis – zwar nicht sonderlich überraschend, aber in dem Ausmaß doch erstaunlich – war, welche negativen Auswirkungen Stresssituationen tatsächlich auf den Blutzucker auslösen. In der ersten Woche des Blutzucker-Trackings war es mir gelungen, meinen Wert im Tagesdurchschnitt auf 101 mg/dl einzupendeln. In der zweiten Woche hatten wir morgens früh um sieben Maler bei uns im Haus, um die Fenster von außen  streichen zu lassen. Dies bedeutete, dass alle Fenster den ganzen Tag offenbleiben mussten, um den Trocknungsprozess zu ermöglichen. Ich habe in dieser Woche „gesünder“ als in der ersten Woche gegessen, und dennoch hatte ich Ausschläge beim Blutzucker, die mich überrascht haben. Ich habe mich gefragt, wie kann das sein, woran muss es liegen?

Der Grund für den erhöhten Tagesdurchschnitt und den sehr steilen Anstiegen lag daran, dass ich aufgrund des frühen Arbeitsbeginns der Handwerker meine übliche Morgenroutine nicht durchgezogen hatte, sondern direkt morgens in einen Aktionsmodus gewechselt bin. Dieses hat zu einer direkten Cortisol-Ausschüttung geführt, was sich negativ auf meinen Blutzucker ausgewirkt hat. Das Hormon Cortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet und gilt als das Stresshormon. Es reguliert sowohl unseren Schlaf als auch den Fettstoffwechsel. Cortisol schwächt die Wirkung von Insulin und kann dadurch den Blutzucker ungünstig beeinflussen. Dies war in dieser Woche bei mir der Fall: Aufgrund des Durchzugs der offenen Fenster und Türen über den gesamten Tag war mein Körper gestresst. Mir war kalt und ich habe in diesen Tagen schlecht geschlafen. Der Stresspegel war deutlich höher als normalerweise, und trotz meiner kleinen durchgeführten Abendroutine konnte ich mein Stresslevel nur bedingt abbauen, was sich ungünstig auf meinen Blutzuckerwert ausgewirkt hat.

Mein persönliches Fazit des Blutzucker-Trackings fällt daher absolut positiv aus. Mein Ziel war es nicht, zu überprüfen, welche Lebensmittel einen Peak auslösen, sondern zu erkennen, was für Auswirkungen normale Alltagsituationen wie Training oder Stress auf den Blutzucker auslösen können. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse habe ich meine Trainingsroutine angepasst und weiß jetzt, dass ich bei Zeitstress morgens nach Möglichkeit dennoch meine Routinen einhalten und dann zum Beispiel eine Stunde früher aufzustehen sollte.

Wer ebenfalls einmal ein Tracking durchführen möchte, um die individuellen Auswirkungen von Lebensmitteln und dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme auf den Blutzucker zu überprüfen, dem biete ich gerne meine Unterstützung an. Die Zusammenhänge sind komplex und 14 Tage schnell vorbei. Für ein Wohlbefinden und die Gesundheit ist es aus meiner Sicht sinnvoll, die ungünstigen Stimuli für Glukosespitzen zu identifizieren. Ich kann Ihnen aufzeigen, wie Sie in zwei Wochen Blutzucker-Trackings die meisten Informationen für sich gewinnen können.

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